Jag doch das Robbenbaby

Guten Morgen!

Lässige Lästigkeit, zweifelhafte Zahlen und richtige Robbenbabys - der Morgenmoment kommt heute von Tom Schaffer.

#1 Möchtest du das teilen?

Videoeinheiten statt Hörsaal, Arbeitslosigkeit statt Nebenjob, Daheimbleiben statt Party. Wegen der Corona-Krise sind viele Studierende wieder nach hause gezogen oder gar nie bei den Eltern ausgezogen. Wenn sie im Studierendenheim schon einen Platz hatten, müssen sie das Zimmer aber meist weiter zahlen. Wir haben uns angesehen, was da los ist.

#2 Hast du das gesehen?

In der neuen Folge von Dauerbrenner berichtet Katharina Rogenhofer von erfreulichen Entwicklungen in der Klimapolitik. Und sie ruft gleich dazu auf, lästig zu bleiben. Denn am Freitag ist ein weltweiter Klimastreik angesetzt.

#3 In was für einer Welt leben wir eigentlich?

Vor Weihnachten stieg der Druck in Österreich, zumindest ein paar Kinder und Jugendliche aus den elenden Zuständen in Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln zu befreien. Die ÖVP blockierte. Integrationsministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer behaupteten beide öffentlich, Österreich habe in diesem Jahr schon 5.000 unbegleitete Kinder und Jugendliche aufgenommen. Damit sei genug getan, meinten sie.

NGOs wunderten sich schon damals über die Zahlen. Die NEOS fragten schließlich im Parlament nach und fanden heraus: Es waren nicht 5.000, sondern gerade einmal 186 unbegleitete Minderjährige. Da die ÖVP immer wieder einige Schwierigkeiten im Umgang mit Zahlen zu haben scheint, übernehmen wir das Rechnen für sie: In Österreich sind offenbar allein aus dem Jahr 2020 noch 4.814 Plätze für unbegleitete Kinder und Jugendliche frei, mit denen sogar die ÖVP gerechnet hat. Wie wärs, holen wir jetzt zumindest so viele aus diesen verdammten Lagern?

#4 HerStory

Der März ist Women's History Month. Wir stellen deshalb jeden Tag eine bemerkenswerte Frau aus Österreich vor. Heute: Alice Schalek. Schalek war Autorin, Journalistin und Kriegsberichterstatterin. Sie wurde 1874 in einer jüdischen Familie geboren, konvertierte aber 1904 zum Protestantismus. 

Im Ersten Weltkrieg war sie die erste österreichische Frau und nach der Ungarin Margit Veszí die zweite Frau in der Monarchie Österreich-Ungarn, die von der Front berichten durfte. Sie galt als kriegsbegeisterte, sensationslüsterne Reporterin. Karl Kraus widmete ihr in seinem Drama "Die letzten Tage der Menschheit" eine sehr unschmeichelhafte Figur. Die Akkreditierung von der Front verlor Schalek aber nicht nur wegen dieser inhaltlichen Kritik, sondern auch, weil sie Ziel von Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit wurde.

Als Autorin erschienen ihre ersten Bücher zur Jahrhundertwende unter einem männlichen Pseudonym (Paul Michaely). Ihre Themen dabei waren unter anderem die Situation bürgerlicher Frauen und von Juden und Jüdinnen. Schalek war nicht die erste Journalistin in Österreich, wird aber oft so bezeichnet, weil sie die erste Frau war, die im Presseclub Concordia aufgenommen wurde. Sie war außerhalb des Krieges vor allem für ihre internationalen Reiseberichte bekannt. Auch hier waren Frauenrechte immer wieder ein wichtiges Thema für ihre Arbeit. In den 20er-Jahren wandte sich Schalek dem Kommunismus zu.

Dass sie zum Protestantismus konvertierte, ersparte ihr auch später im Leben nicht, mit Antisemitismus konfrontiert zu werden. Wegen ihrer Abstammung wurde ihr etwa 1921 die Mitgliedschaft im Alpenverein aufgekündigt. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich wurde Schalek wegen "Greuelpropaganda" von der Gestapo verhaftet. Dank guter Verbindungen kam sie frei, konnte über die Schweiz nach London fliehen und lebte schließlich bis zu ihrem Tod zurückgezogen in New York. 

#5 Altpapier

Peter Michael Lingens schreibt in der Wochenzeitung Falter eine Kolumne. Lingens (81) war früher in leitender Funktion beim Profil und Standard und ist ohne Frage ein verdienter Journalist in Österreich. Seine Ausführungen in der Ausgabe der Vorwoche zur Lohnschere zwischen Männern und Frauen sind aber jenseitig. Lingens schreibt (nur einige Highlights grob zusammengefasst): Frauen bekommen halt leider Kinder, mögen aus genetischen Gründen keine Autos und Technologie, entscheiden sich einfach für die falschen Berufe und weibliche Affen spielen lieber mit Puppen - deshalb werden Frauen immer weniger verdienen.

Fast hätten wir unser beliebtes #Gegengelesen-Format auf diesen Artikel angesetzt. Aber der Artikel bräuchte so viele Korrekturen, dass sich die Erwiderung in diesem Monat nicht mehr ausgehen könnte. Wir haben zu vielen der vorgebrachten Phrasen immerhin schon ganze eigene Artikel geschrieben. Leider hören wir sie alle ja nicht zum ersten Mal. Zum Glück haben wir deshalb trotzdem eine kompakte Antwort darauf. Denn schon zwei Folgen von Moment mal haben sich damit auseinandergesetzt. Wenn ihr also jemanden kennt, der wie P. M.Lingens über die Lohnschere denkt, schickt der Person doch zum Beispiel diesen Link oder diesen Link. Nach nur 9 Minuten zuhören sollten sich Kolumnen wie diese erledigt haben.

#6 Bonus Track

Im Tiergarten Schönbrunn trauert man seit gestern um Commandante - der dortige "Chef der Robben" musste altersbedingt mit 19 Jahren eingeschläfert werden. Wir werden seine Bauchflecks vermissen. Darauf brauchen wir auch eine gute Robben-Nachricht: In Namibia haben Umweltaktivisten gefilmt, wie sie Babyrobben von Plastik und anderem Müll befreien. Dazu müssen sie die Tiere zwar erst einmal jagen und in Panik versetzen, die Reaktion der verängstigten Tiere auf das unerwartete Ende ihres Leids ist dann aber umso erstaunlicher. Es wirkt teils, als wüssten sie die gute Tat zu schätzen. Ein Australier hat den Szenen noch einen besonderen Touch verliehen und vertont die angeblichen Gedanken der Robben. Wirklich lustig ist das, wenn du ein wenig Englisch verstehst, aber die Nachricht kommt auch so rüber:

#7 Eine Sache noch

Meist schreiben sich unsere Beiträge nicht so einfach, wie bei Videos der Rettung von Robbenbabys. Unsere Beiträge kommen aus einem kleinen Team und kosten viel Einsatz, Arbeitskraft und Zeit. MOMENT ist bewusst unabhängig von Parteien, Konzernen und Milliardären. Nur so können wir bei unseren Berichten zu den größten Themen unserer Zeit die Interessen der Vielen immer in den Vordergrund stellen, die andere Medien manchmal aus den Augen verlieren. Damit das möglich bleibt, brauchen wir deine Unterstützung. Wenn dir unsere Arbeit gefällt und du es dir gerade leisten kannst, hilf uns doch bitte mit einem Betrag. Ob monatlich oder einmalig, groß oder klein - jeder Euro hilft! Danke!

Wir jagen schon wieder die nächsten Geschichten und wünschen dir einen schönen Tag

Tom

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