Neues Jahr, alte Probleme

Guten Morgen!

Das neue Jahr ist da. Alte Probleme sind es auch noch immer. Dein Morgenmoment sucht nach Lösungen - heute von Tom Schaffer.

#1 Möchtest du das teilen?

Seit fast 40 Jahren gab es in Österreich praktisch keine Verkürzung der Arbeitszeit mehr. Dabei wachsen die Löhne bestenfalls langsam, während die Produktivität der Arbeitnehmer:innen rasant steigt. Seit Anfang dieses Jahres gilt nun erstmals wieder für eine Gruppe eine leichte Verkürzung. Für private Sozial- und Gesundheitsberufe gelten künftig 37 Stunden als Vollzeit. Die Angestellten wollten eigentlich eine Verkürzung auf 35 Stunden, weil die harte Arbeit in Normal-Vollzeit oft nicht zu schaffen ist. Damit wir das für sie und alle anderen erreichen, muss wohl deutlich mehr Druck aus der Bevölkerung her. Denn die Vergangenheit zeigt: Arbeitszeitverkürzung kriegt nur, wer dafür kämpft.

De Arbeitszeit im privaten Gesundheits- und Sozialbereich wird auf 37 Stunden verkürzt. Ein erster Vorgeschmack auf eine kürzere Arbeitswoche für alle?

#2 Ignoriert

In weiten Teilen der Welt spürt man in diesem Jänner brutal, dass es viel zu warm ist. Die Temperaturen erreichen neue Extremwerte. Bei der Frage, ob wir eine Klimakatastrophe noch verhindern können, ist ein Ort, den wenige selbst erleben können, aber noch viel wichtiger: der Thwaites-Gletscher nahe dem Südpol. "Wenn es eine Klimakatastrophe gibt, dann wird sie wahrscheinlich dort beginnen", sagte Gletscherforscher Ian Howat im US-Magazin Rolling Stone kürzlich.

Der breiteste Gletscher der Welt schmilzt wegen der menschengemachten Erderhitzung seit Jahrzehnten. Nun bricht und schmilzt die Eisdecke aber auch in den Teilen des Gletschers, die bisher als eher sicher gegolten haben. Und es geht immer schneller. Innerhalb von fünf Jahren könnten wesentliche Teile davon zusammenbrechen, befürchtet ein großes Forschungsteam in einer neuen Veröffentlichung.

Bereits jetzt trägt die Schmelze des Thwaites-Gletscher 4% des jährlichen Anstiegs der Weltmeere bei. Seine Zerstörung allein könnte die Meeresspiegel um 65 Zentimeter steigen lassen. 250 Millionen Menschen leben in Gegenden, die bei einem Anstieg von etwa 90 Zentimeter überflutet werden.

Die Zerstörung des Gletschers ist vielleicht nicht mehr aufzuhalten. Wie schnell sie passiert und wie viel Zeit wir Menschen haben, um uns an die Auswirkungen anzupassen, ließe sich aber durch den entschlossenen Kampf gegen die Erderhitzung beeinflussen.

#3 Lesetipp

Dabei müssen wir auch über Verteilung sprechen. 15% der weltweiten CO2-Ausstöße werden nur von 1% der Menschen verursacht. (Mehr über diese ungerechte Verteilung hier und hier.) Auch wenn sich auch das Leben von uns Durchschnittsmenschen in den reichen Teilen der Welt an die Klimakrise anpassen muss (was du als Einzelperson wirklich tun kannst und warum viel mehr davon politisch ist): auf so viele Flüge und über den Globus geschiffte Lebensmittel können normale Menschen gar nicht verzichten, dass wir die Zerstörung der Reichsten wettmachen. Von den Superyachten und Weltraumflügen der überreichen Milliardär:innen über die Investments der reichen Multimillionäre in schädliche Industrien. Wir können uns diese Form des Reichtums nicht mehr leisten und es führt nichts darum herum, das Problem systemisch zu lösen, sagt Raphael Thelen in einem lesenswerten Essay der deutschen "Zeit": "Ich glaube, 2022 wird das Jahr, in dem ich, mir die Avocado gönne. Es wird das Jahr, in dem ich meine Freunde wieder in den Urlaub fliegen lasse, ohne Energie darauf zu verschwenden, mich über sie zu ärgern. Es wird das Jahr, in dem ich meinen Fokus aufs Systemische richte – und auf jene, die von dem zerstörerischen System profitieren: die Superreichen mit ihrem Killerkonsum und die Politikerinnen, die ihnen das ermöglichen."

#4 In was für einer Welt leben wir eigentlich?

Im Jahr 2021 - bekanntermaßen für viele Menschen wirtschaftlich, sozial und psychisch ein hartes Jahr - sind die Reichsten jedenfalls ziemlich überall wieder einmal viel reicher geworden. Das Vermögen von Österreichs reichsten 100 Familien allein ist etwa um 25 Milliarden Euro angewachsen und beträgt jetzt 205 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 14%, hat die NGO Attac errechnet. Von Leistung sind diese Vermögen und ihre fast automatischen Zuwächse längst völlig entkoppelt. Die überfällige, drastische Besteuerung davon steht derzeit aber nicht am Plan der Regierung. Österreich besteuert Reiche so wenig, wie kaum ein anderes Industrieland. Rechte, konservative und liberale Parteien passen mit ihrer Blockade gegen gerechtere Steuern auf riesige Vermögen und Erbschaften sowie große Gewinne aus Kapital und Unternehmen gut darauf auf, dass das so bleibt.

Die Reallöhne arbeitender Menschen in Österreich sind zwischen 2010 und 2020 übrigens fünfmal sogar gesunken. Für 2021 fehlen bisher noch die Zahlen. Aber Wirtschaftsforscher:innen erwarten, dass die Löhne nach Berücksichtigung der Preissteigerungen wieder gesunken sind und dieser Trend auch 2022 weitergehen wird.

#5 Der Reihe nach

Es ist kaum ein großes Thema in österreichischen Medien und über den Jahreswechsel vielleicht auch bei Interessierten ein bisschen untergegangen. Aber seit Wochen wird im Sudan gegen eine Militärregierung und für den Übergang zu einer echten Demokratie demonstriert. Hunderttausende Menschen stellen sich im ganzen Land dem Militär mutig entgegen. Das eröffnet immer wieder das Feuer auf sie. Nach dem Rücktritt des zivilen Premierministers ist der Ausgang des Konflikts umso ungewisser. Die Geschichte des Landes ist ereignisreich und die Lage nicht leicht zu überblicken - wir versuchen hier, dir einen kompakten Überblick zu geben.

Hunderttausende Menschen gehen im Sudan auf die Straßen, um gegen das Militär und für die Demokratie zu protestieren. Ein Überblick über ein Land in einer unübersichtlichen Situation.

2022 ist da. Vieles muss sich noch ändern.

Schönen Dienstag!

Tom

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