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Energie statt Gehorsam

Guten Morgen!
Wer müde ist, widerspricht nicht. Und nichts macht so zuverlässig müde wie Hunger – körperlich wie politisch. Warum das gerade jetzt wieder gefährlich ist, erfährst du heute im Morgenmoment von Anđela Alexa.
#1 Möchtest du das teilen?
Österreich zahlte 2024 Forschungsprämien in Höhe von 1,4 Milliarden Euro an Unternehmen aus – doch die so geförderte Forschung wird kaum überprüft. Lisa Duschek hat analysiert, wie Unternehmen das System ausnutzen und wie der Staat dabei großzügig wegsieht.
#2 Spin des Tages
Österreich ist ein vergleichsweise sicheres Land, und es wird immer sicherer. Die Zahl der für eine Straftat verurteilten Personen ging in den vergangenen 20 Jahren stark zurück – sowohl bei österreichischen als auch bei ausländischen Staatsbürger:innen. Aber manche Politiker:innen wenden alle möglichen Tricks an, um uns das Gegenteil zu vermitteln. Sie wollen Angst und Feindbilder schüren, in der Hoffnung, so Wähler:innen zu gewinnen.
Eines ihrer Werkzeuge ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Innenministeriums, die alle angezeigten Straftaten in Österreich zusammenfasst. Die sagt sowieso schon wenig darüber aus, wie sicher Österreich wirklich ist. Denn mehr Anzeigen bedeuten nicht automatisch mehr Kriminalität – sie können zum Beispiel auch bedeuten, dass mehr Menschen sich trauen, Anzeige zu erstatten.
Jetzt hat der Sozialforscher Günther Ogris auf eine neue Trickserei mit der PKS hingewiesen: Im Jahr 2018 hat das Ministerium die Definition von „Tatverdächtigen“ in der Statistik geändert. Es verwendet jetzt einen Index, in den verschiedene Zahlen einfließen. Dieser verzerrt die Statistik – zum Teil verwandelt sich ein einzelner Tatverdächtiger in mehrere hundert. Ein besonders drastisches Beispiel: Laut PKS gab es in Wien 2024 rund 9.500 „Tatverdächtige” zwischen 14 und 18 Jahren. In Wahrheit waren drei Jugendliche für über 3.000 Delikte verantwortlich. Diese drei alleine machten ein Drittel aller „Tatverdächtigen” aus.
Als die Änderung erfolgte, war übrigens Herbert Kickl (FPÖ) Innenminister.
Das Prinzip hinter solchen Tricksereien ist simpel: Wer glaubt, dass die Kriminalität zunimmt, hat Angst. Und von dieser Angst profitiert eine Politik, die sie bewusst schürt. Daher hier nochmal die gute Nachricht: Österreich ist ein vergleichsweise sicheres Land, und es wird immer sicherer.
#3 In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Seit Monaten dominiert ein Körperbild die Feeds in den sozialen Medien: dünn, schmal, kindlich. Low-Rise-Jeans feiern ein Comeback, „Heroin-Chic“ und SkinnyTok trenden. Dass das in einer Zeit passiert, in der auch Rechtspopulismus, tradwife-Romantik und konservative Rollenbilder wieder boomen, ist kein Zufall – es ist Absicht. Je selbstständiger Frauen werden, desto stärker ziehen Schönheitsindustrie und Gesellschaft in die entgegengesetzte Richtung: zurück in Richtung Anpassung, Disziplin, Schrumpfung. Zurück in den Körper statt nach vorne in die Politik.
Wer täglich um Kalorien, Thigh Gap und Ozempic-Dosierung kreist, hat wenig Energie für Wut, Organisation oder kollektive Forderungen. Eine Frau, die Hunger hat, wird leichter kontrollierbar. Dünnsein ist unter diesen Bedingungen kein Lifestyle, sondern Gehorsam. Das Schönheitsideal, das seit Jahrzehnten reproduziert wird, ist kein neutrales – es ist schmal, haarlos, jung. Das Ideal ist ein Körper, der eher wie der eines Mädchens wirkt als wie der einer erwachsenen Frau. Das ist ein Machtverhältnis.
Diese Kritik richtet sich nicht gegen einzelne Frauen. Alle Frauen stehen unter dem gleichen Druck – manche passen zufällig ins patriarchale Ideal, andere werden schärfer oder mehrfach diskriminiert, aber keine ist frei von diesem Druck. Es geht dabei nicht darum, wem der Körper „gehört“, sondern darum, wem er nützt: ein dünner Körper nützt einem System, das Profit aus unserem Zweifel zieht und unsere Energie bindet. Männer dürfen wachsen, entspannen, sogar mit Bierbauch sympathisch und attraktiv wirken – Frauen sollen lernen, sich kleiner zu machen.
#4 In eigener Sache
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Guten Start in die neue Woche wünscht dir
Anđela Alexa
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